Die Angst, den Angehörigen zur Last zu fallen, Armut und Einsamkeit sind die wesentlichen Faktoren, die Menschen veranlassen, über Suizid und Suizidhilfe nachzudenken.
Diese wissenschaftliche Erkenntnis bestätigt, wie wichtig es ist, der Suizidprävention und der Regulierung von Suizidassistenz in diesen Monaten besondere Aufmerksamkeit zu schenken.
Ängste und Einsamkeit nehmen zu
“Wir wissen aus unseren Beratungsstellen, dass in der Corona-Pandemie Ängste und Einsamkeit deutlich zugenommen haben, gerade bei den jungen Menschen. Und bei den Älteren wächst mit der Energiekrise die Angst vor Armut. Wird die Gasheizung das Ersparte in einem Winter aufzehren? Wie mit den hohen Lebensmittelpreise und der kleinen Witwenrente jonglieren? Wer Suizidhilfe als sozialverträglichen Schlusspunkt eines Lebens, das auf Selbstbestimmung und Selbstoptimierung angelegt war, bewirbt, wird in der aktuellen Situation für sein Angebot allzu leicht Nachfrager finden,” betont Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa. “Wir brauchen einen breit verstandenen Ansatz konsequenter Suizidprävention, der Sicherheitszäune an Hotspots und sozialräumliche Begegnungsangebote ebenso umfasst wie eine vernetzte multiperspektivische Beratung. Wir brauchen gesetzliche Regelungen, die die Stärkung der Suizidprävention und die Regulierung der Suizidhilfe lebensdienlich verbinden.”
Regulierung der Suizidhilfe nicht ohne Stärkung der Suizidprävention
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Suizidhilfe aus dem Februar 2020 setzt sich der Bundestag derzeit mit der gesetzlichen Neuregelung des assistierten Suizids auseinander. Der Deutsche Caritasverband bekräftigte anlässlich des Welttags der Suizidprävention beim gemeinsamen Parlamentarischen Abend mit dem Katholischen Büro in Berlin seine Forderung nach einer nachhaltigen Stärkung der Suizidprävention. “U25 – unsere Online-Beratung für akut suizidgefährdete Jugendliche ist ein gutes Beispiel für gelingende Prävention. Wir brauchen ähnliche Angebote der peer-to-peer-Intervention auch für ältere Menschen”, so Welskop-Deffaa. Hospiz- und Palliativversorgung am Lebensende müsse ausgebaut und gesetzlich abgesichert werden.
“Es geht darum, Hilfe anzubieten, bevor der Suizid als einziger Ausweg erscheint”, betont Welskop-Deffaa. “Wir wollen verletzte und verletzliche Menschen nicht als Agentinnen ihres eigenen Überlebens allein lassen.”
Jedes Jahr nehmen sich hierzulande laut der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention (DGS) rund 10.000 Menschen das Leben – mehr, als durch Verkehrsunfälle, Gewalttaten und illegale Drogen sterben. Zehn- bis 20-mal häufiger kommt es darüber hinaus zu einem Suizidversuch. Jeder Suizid betrifft andere Menschen, sowohl direkt als auch indirekt. Neueren Zahlen zufolge sind es bis zu 135 Menschen, die den Verlust einer nahestehenden Person erleiden – Partner, Eltern, Geschwister, Freundinnen und Freunde, Kolleginnen und Kollegen, Bekannte.
Am 10. September ist Welttag der Suizidprävention. Er wurde erstmals 2003 von der International Association for Suicide Prevention (IASP) und der Weltgesundheitsorganisation WHO ausgerufen. Er will nicht nur für einen offenen Umgang mit dem Tabu-Thema Suizid sensibilisieren, sondern auch dafür, dass Suizidprävention beginnen muss, bevor sich eine Situation zu einem Ausnahmezustand zuspitzt.
Bereits jetzt bieten Einrichtungen und Dienste der Caritas vielfältige suizidpräventive Maßnahmen an – von der persönlichen Begleitung vor Ort bis zur anonymen und kostenfreien Online-Beratung. Fachkräfte werden hierzu entsprechend geschult und Angebote vernetzt.